Afghanistan

Universitätsstipendien für junge Frauen

(Bild von Lehrerin vor Tafel)

(Bild von Lehrerin vor Tafel)

 

Projektname: Universitätsstipendien-Initiative für Studierende nach der unteren Sekundarstufe (LSCBE - Lower Secondary Community-based Education)

Ort: Provinz Khost, Afghanistan, Partneroganisation vor Ort: CARE International

 

Bericht 2023

Große Sorge um die Zukunft der Menschen in Afghanistan

 

Bedingt durch die Maßnahmen der Taliban, einerseits Mädchen den Zugang zu Universitätsbildung zu verbieten, und anderseits keine weiblichen Hilfskräfte in humanitären Hilfsorganisationen zuzulassen, musste unsere Hilfe für Afghanistan leider im Mai 2023 eingestellt werden. 

Wir hoffen sehr, dort in Zukunft wieder helfen zu können und darauf, dass sich die internationale Gemeinschaft stärker für die Rechte der Frauen und für die Arbeit der Hilfsorganisationen in Afghanistan einsetzt. Wir denken mit großer Traurigkeit an die Menschen dort. 

Bericht 2022

MiA unterstützt in diesem Jahr (Juli 2022 bis Juni 2023) zusammen mit der Buddhist Global Relief die medizinische Universitätsausbildung von jungen Frauen in Afghanistan durch den Projektpartner CARE International vor Ort in der Provinz Khost, mit zusammen 25.000 USD, davon 19.000 von BGR und 6.000 USD von MiA.

Diese Spende hilft jungen Frauen, ihren Bildungsweg fortzusetzen und einen Hochschulabschluss zu erwerben, um ihnen, ihren Familien und Gemeinden eine bessere Zukunft zu ermöglichen. 

Die Stipendieninitiative ermöglicht es Mädchen aus ländlichen Gebieten, die zuvor in von CARE unterstützten Klassen die untere Sekundarstufe besucht haben, eine Hochschulausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Die Stipendien decken die Kosten für die Ausbildung der jungen Frauen, einschließlich Transport, Lehrbücher und Universitätsgebühren. 

Nach ihrem Abschluss können die Frauen eine Beschäftigung in ihrem jeweiligen Bereich finden und bis zu 600 Dollar im Monat verdienen, was derzeit ein beachtliches Gehalt für eine Frau ist, die in einer ländlichen Gegend Afghanistans arbeitet. 

Auf diese Weise bekämpfen wir Hunger und Ungleichheit an der Wurzel und können nachhaltig dazu beitragen, dass Afghanistan sich selbst helfen kann, indem junge Frauen entgegen der Vorstellung ihrer Regierung qualifizierte Berufe erlernen, die ihnen, ihren Familien und dem Land zugute kommen.

 

Aktuelle Situation

 

Nach dem Abzug der westlichen Militäreinsätze und der erneuten Machtübernahme durch die Taliban hat sich die ohnehin schon alarmierende Hungersnot in Afghanistan noch weiter verschärft, und zwar durch Dürre, Konflikte, zunehmende Vertreibung, steigende Lebensmittelpreise (derzeit eine Verdoppelung), die COVID-19-Pandemie und den wirtschaftlichen Niedergang. Etwa 18,8 Millionen Menschen, d. h. fast die Hälfte der Bevölkerung, sind derzeit von akutem Hunger betroffen - ein Anstieg um fast 30 % gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Inzwischen sind fast 23 Millionen Menschen dort von akutem Hunger betroffen. Darüber hinaus wurden seit Anfang 2021 rund 677.000 Menschen innerhalb Afghanistans vertrieben, so dass sich die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen auf schätzungsweise 2,9 Millionen erhöht hat. Mindestens 80% der Binnenvertriebenen sind Frauen und Kinder. Vertriebene Frauen und Mädchen sind allerdings einem höheren Risiko ausgesetzt, Gewalt zu erfahren, und die meisten Frauen haben nur begrenzten oder gar keinen rechtlichen Schutz, keine Gesundheitsversorgung und oft keinerlei Schul- oder Berufsausbildung.

Nach aktuellern Schätzungen leidern derzeit weltweit 863 Millionen Menschen in 91 Ländern unter Hunger und unzureichender Ernährung. Was sich durch den Ukraine Konflikt und die damit einhergehenden Lieferverzögerungen oder -stopps von Getreide und anderen Lebensmitteln zudem noch mal wesentlich verschlechtert hat. Auch das macht es zunehmend schwieriger, die immer noch sehr dramatische Not in Afghanistan nicht zu vergessen. Dazu kommt, dass die gegenwärtige Berichtserstattung kaum mehr über die Lage in Afghanistan berichtet. 

Aufnahmeprüfung für Stipendien unter Aufsicht des „Bildungsministeriums“ der Taliban

(Aufnahmeprüfung für Stipendien unter Aufsicht des „Bildungsministeriums“ der Taliban)

 

Die Arbeit unserer Stipendieninitiative wird aber trotz des politischen Wandels bisher weiter fortgesetzt. Trotz der Verzögerungen bei der Wiederaufnahme des Unterrichts für Highschool-Mädchen hat die De-facto-Regierung der Taliban jungen Frauen die Fortsetzung des Hochschulstudiums teilweise gestattet, wenn auch in nach Geschlechtern getrennten Klassen, was aus einzelnen westlichen Berichterstattungen über Schulverbot für Mädchen aus Afghanistan leider oft nicht hervorgeht. Ein wichtiger Hinweis für uns ist daher die aktuelle Information unseres Partner vor Ort, dass die aktuelle Arbeit, die BGR/MiA in Afghanistan unterstützt, durch die jüngsten Entwicklungen bisher nicht beeinträchtigt wurde. D.h. es lohnt sich für die Mädchen in Afghanistan sehr, diese Arbeit dort zu erhalten. Die Stipendienprüfungen werden sogar unter Aufsicht von Regierungsvertretern durchgeführt.

Derzeit studieren 124 Studentinnen in verschiedenen Studiengängen, darunter 36 Medizinstudentinnen, 56 Hebammen, 19 Krankenpflegestudentinnen, fünf Stomatologiestudentinnen (Hals-Nase-Ohren-Behandlung) und acht Jurastudentinnen. Mit unserer gemeinsamen Hilfe (BGR/MiA) werden davon derzeit 37 Studentinnen direkt unterstützt.

Medizinische Ausbildung in der Provinz Khost unterstützt durch BGR/MiA (3 Bilder über den Unterricht)

 

Fahima hat es geschafft

Fahima, die ein Universitätsstipendium erhielt und kürzlich ihre Hebammenausbildung als beste Absolventin abschloss, ist ein Beispiel für den positiven Wandel, den die Stipendien bewirken können. Als sie ihren Schulabschluss machte, bestand Fatima zunächst nicht die staatliche Hochschulaufnahmeprüfung. Ihre 17-köpfige Familie, die von ihrem älteren Vater als Alleinverdiener abhängig ist, war nicht in der Lage, ihr bei der Vorbereitung auf die Prüfung zu helfen oder die Studiengebühren sicherzustellen.

Sie erinnert sich: „Meine Familie konnte die Ausbildungsgebühr nicht bezahlen und ich fiel durch die Aufnahmeprüfung. Mit einer Ausbildung an einer staatlichen Universität war es nun vorbei. Durch mein Versagen wurde ich depressiv und blieb tagelang zu Hause und verweigerte Familienmitglieder oder Freunden, die mich besuchen wollten, zu sehen.“

Nachdem sie zunächst alle Hoffnung für ihre akademische und berufliche Zukunft verloren hatte, beschloss Fahima, sich um ein Stipendium von CARE zu bewerben. Ihre Familie stimmte zu und wünschte ihr viel Glück. 

Fahimas Pech wendete sich nun. Sie schnitt bei dem Wettbewerb gut ab und erhielt ein Stipendium, dass durch unsere Unterstützung möglich gemacht wurde. Also beschloss sie, ihren Träumen weiter zu folgen und Hebamme zu werden, studierte zwei Jahre lang fleißig und schloss ihr Studium schließlich mit der höchsten Punktzahl ihrer Klasse ab. Fahima ist nun die erste Person in ihrer Familie, die überhaupt eine medizinische Ausbildung erhalten hat - die Männer der Familie eingeschlossen.

Sie sagt dazu: „Wenn ich mich mit der Situation vor zwei Jahren vergleiche, bin ich jetzt ein ganz anderer Mensch.“ Fahima bringt nun ihrer Familie und ihren Nachbarn bei, wie man mit Schwierigkeiten und Stress umgeht, und - was am wichtigsten ist - sie hat jetzt ein starkes Selbstwertgefühl und glaubt an ihre Zukunft. Fahima fügt hinzu, dass es ihr größter Wunsch ist, durch ihre zukünftige medizinische Arbeit ein sinnvolles und gutes Leben für sich, ihre Familie und andere zu führen.

 

Zusätzlich zu den jetzigen Studentinnen haben sich in diesem Jahr bereits 121 Absolventen der 12. Klasse um zukünftige Stipendien unseres Programms beworben; von diesen haben 71 die Aufnahmeprüfungen erfolgreich bestanden und wurden an Universitäten in den folgenden Bereichen angenommen: Medizin (12 Studentinnen), Hebammenwesen (40 Studentinnen), Krankenpflege (12 Studentinnen), Stomatologie (vier Studentinnen) und Jura (drei Studentinnen), die dann im kommenden Jahr durch unsere Hilfe unterstützt werden sollen. Unser Partner vor Ort führt auch Bildungsprojekte durch, die Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I unterstützen. In Gemeinden, in denen Mädchenschulen nicht wiedereröffnet werden durften, unterstützt unser Partner das Lernen aus der Ferne und hilft Lehrer:innen, trotz der bestehenden politischen Einschränkungen ihren Schüler:innen weiterhin Bildungschancen bieten zu können. Unser Partner ist seit Jahrzehnten in Afghanistan tätig (auch schon während der letzten Taliban-Zeit). Es wurden enge Beziehungen zu lokalen Gemeinschaften, Dorf- und Religionsältesten sowie Regierungsbehörden aufgebaut, die es erlauben, unsere Arbeit dort unabhängig von politischen Veränderungen fortzusetzen. In der uns betreffenden Provinz Khost unterhält unser Partner sehr enge Partnerschaften mit den regionalen Büros des Bildungsministeriums.

 

Text: Raimund Hopf